E‑Book ― Teufels Werk oder Gottes Geschenk?
(Alexander Groh ― Leseprobe)
Was ist so schlimm am E‑Book, dass es von einer großen Gruppe von Buchlesern angefeindet wird, und was so toll, dass ihm eine andere den Vorzug gibt? Worin liegen die Vor- und Nachteile dieses Systems? Einige Betrachtungen und Überlegungen eines Lesers von Büchern in beiderlei Form als Versuch einer Antwort auf diese Fragen.
In den letzten Jahren sind E‑Books immer weiter auf dem Vormarsch und teilen die Leserschaft in zwei Fraktionen auf. Die einen wollen damit nichts zu tun haben und empfinden sie als den Untergang unserer Buchkultur, die anderen sehen zahlreiche Vorteile im Vergleich mit dem gedruckten Buch. Dass wir noch nicht Zeugen offener Straßenschlachten wurden, hängt wohl weniger mit der fehlenden Vehemenz zusammen, mit der die Vertreter der Fraktionen gegeneinander argumentieren, als vielmehr damit, dass Lesen an sich nie ein weit verbreitetes Kulturgut war.
Lange Zeit war Lesen einerseits wegen des Analphabetismus breiter Bevölkerungsschichten und andererseits wegen der damit verbundenen Kosten nur wenigen Prozent der Gesamtbevölkerung vorbehalten. Der Kostenfaktor konnte erstmals durch die Erfindung des Buchdruckes gesenkt werden. Mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert und der Einführung der allgemeinen Schulpflicht wurde zwar die Lesefähigkeit deutlich angehoben, aber Bücher waren bis zur Einführung des billig produzierten Taschenbuchs nach dem zweiten Weltkrieg noch immer ein relativ teures Gut, das sich viele nicht leisten konnten oder wollten. Zu dieser Zeit aber, mitten im Wiederaufbau der 1950er-Jahre, begannen sich die Menschen mit wachsendem Wohlstand auch für andere Dinge, zum Beispiel neue Sportarten, zu interessieren. Ebenso wurde das seit 1935 in Deutschland ausgestrahlte Fernsehen immer breitenwirksamer und stellte im Laufe der Zeit eine merkliche Konkurrenz zum Lesen dar.
Ein weiteres Problem ist ebenfalls in zahlreichen neueren soziologischen Studien belegt: Etliche Kinder und Jugendliche bildungsfernerer Bevölkerungsschichten wachsen ohne Buchaffinität auf und geben dies auch an ihre eigenen Nachkommen weiter, sodass eine größere Breitenwirksamkeit des klassischen Buchmarktes kaum vorstellbar ist. Auch die Schulpflicht und die dabei zwangsverordnete Beschäftigung mit Literatur konnten hier nicht wirksam gegensteuern. Das E‑Book als modernes neues Medium könnte hier allerdings eine Chance darstellen. Jedes Kind lernt heute schon früh den Umgang mit Computern, sodass man mit entsprechenden Buchausgaben eventuell leichter Interesse wecken könnte als mit gedruckten Büchern.
Das elektronische Buch ist eigentlich kein Buch, sondern eine Computerdatei, die mit speziellen Programmen gelesen werden kann. Von Smartphones über Tablets bis zu Personal-Computern kann neben eigenständigen E‑Book-Readern jedes Gerät, das über einen Speicher, einen entsprechenden Bildschirm und passende Software verfügt, als Leseplattform dienen. Vor allem der letzte Punkt ist wichtig, weil es mittlerweile eine Unzahl an verschiedenen Formaten gibt und selbst die Trennung zu anderen Arten von Textdateien nicht scharf gezogen werden kann.
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